Löschzug Schweicheln-Bermbeck beschäftigt sich mit den Gefahren der E-Mobilität 

Kreis Herford/Hiddenhausen. Rund 48 Millionen PKW gibt es mittlerweile in Deutschland. Noch ist der Anteil der Fahrzeuge, die über alternative Antriebe verfügt, gering. Gerade einmal 136.617 Elektroautos waren laut Angaben des Kraftfahrtbundesamtes Anfang 2020 auf den Straßen unterwegs. Vor dem Hintergrund der aktuellen Umweltdiskussion nimmt die E-Mobilität allerdings immer mehr Fahrt auf.  Die Technik gilt als modern und sicher. Doch wenn ein Stromer in einen schweren Verkehrsunfall verwickelt ist oder gar in Brand gerät, steht die Feuerwehr unter Umständen vor besonderen Problemen.    

 

Der Löschzug Schweicheln-Bermbeck beschäftigte sich deshalb erst kürzlich während eines Dienstabends, der im Gerätehaus an der Herforder Straße stattfand, mit den Gefahren der E-Mobilität. Das Autohaus Mattern hatte den Feuerwehrleuten dazu zwei Elektroautos, einen Renault Zoe und einen Mazda MX-30, als Anschauungsobjekte zur Verfügung gestellt. „Die Hochvoltanlage  arbeitet mit einer Spannung von 400 Volt“, so Magnus Mattern, der mit Bruder Marius die Technik der beiden Autos erläuterte. Zur Sicherheit seien alle Komponenten des Hochvoltsystems mit einem grellen Orange gekennzeichnet und die Kabel zudem besonders geschützt im Mitteltunnel der Karosserie verlegt. Werden die Feuerwehrleute zu einem schweren Verkehrsunfall gerufen, so lässt sich auf den ersten Blick nur schwer feststellen, ob ein Elektrofahrzeug beteiligt ist. Das „E“ auf dem Kennzeichen sei keine Pflicht, hinter dem „Tankdeckel“ könne sich der Anschluss für den Ladestecker verbergen und auch sonst gebe es keine genormten Erkennungssymbole für ein Elektroauto, sagte Magnus Mattern, der genauso wie sein Bruder ehrenamtlich in der Feuerwehr engagiert ist. „An erster Stelle steht deshalb die Lageerkundung!“ Die „AUTO-Regel“ hilft den Feuerwehrleuten, alternative Antriebstechniken zu erkennen. AUTO steht dabei für: Austretende Betriebsstoffe hören, riechen, sehen, Tankdeckel öffnen und Oberfläche absuchen.

Die Hochvoltbatterie schalte sich bei einem Crash automatisch ab, erklärte Mattern. „Dieser Vorgang ist mit dem Auslösen der Airbags gekoppelt.“ Allerdings müsse jedem klar sein, so der Brandmeister, dass technische Systeme ab einer gewissen Unfallschwere an ihre Grenzen gelangten. Elektroautos verfügen deshalb über zusätzliche Abschaltvorrichtungen für dass Hochvoltsystem, die von den Einsatzkräften aktiviert werden können.

 

Der Löschzug Schweicheln-Bermbeck befasste sich bei einem der letzten Dienstabende

vor dem erneuten Corona-Lockdown mit den Gefahren der Elektromobilität.

 

Zersetzungsprozess stoppen

 

Das Batteriepaket – es besteht aus mehreren tausend Einzelzellen – wird von den Herstellern gut geschützt im Fahrzeugboden verbaut. Werden einzelne Lithium-Ionen-Akkus dennoch durch einen Unfall beschädigt, kann das eine chemische Reaktion auslösen. „Es entsteht Hitze, die zu einer Kettenreaktion im Batteriepaket führt“, schilderte Jan-Hendrik Pieper, stellvertretender Leiter des Löschzugs. Die Einsatzkräfte müssen die Akkus in einem solchen Fall 24 Stunden lang kühlen, um den Zersetzungsprozess zu stoppen. „Sonst würde das komplette Auto in Flammen aufgehen.“ Dabei ist Vorsicht geboten, da das Löschwasser den elektrischen Strom leitet und die Retter gefährdet. „Wird mit dem Vollstrahl gearbeitet, dann muss der Angriffstrupp mindestens fünf Meter Abstand zum brennenden Auto halten“, so Pieper. Einige Feuerwehren greifen bereits auf Mulden zurück, die sie mit Wasser füllen, um überhitzte E-Autos darin zu kühlen. An der Feuerwehrzentrale gebe es ebenfalls Überlegungen, einen Abrollbehälter für diesen Zweck umzurüsten, heißt es vom Kreisfeuerwehrverband. „Ein Auto zu versenken kommt allerdings nur als letzte Möglichkeit in Betracht“, sagte Pieper.

Sogenannte Rettungskarten, die es für jedes Automodell gibt, helfen den Feuerwehrleuten bei der Arbeit. Das gilt insbesondere, wenn die Einsatzkräfte hydraulische Rettungsgeräte einsetzen müssen, um eingeklemmte Personen zu befreien. Die Datenblätter liefern wichtige Hinweise, wo sich die Airbags und Gurtstraffer aber auch die Abschaltmöglichkeiten bei einem E-Auto befinden, damit die Einsatzkräfte sicher arbeiten können. Der Löschzug ist mit einem Tablet-Computer ausgerüstet, auf dem die Datenblätter aller gängigen Fahrzeugmodelle gespeichert sind. Notfalls kann die Leitstelle fehlende Informationen über eine Kennzeichenabfrage ergänzen. Pieper appellierte an die Bürger: „Eigentlich gehört hinter die Sonnenblende jedes Autos die passende Rettungskarte!“

Im August war ein Autofahrer im Ortsteil Sundern mit seiner PS-starken Limousine vor eine Hauswand gefahren. Das Auto verfügte über einen Hybridantrieb, also Elektro- und Verbrennungsmotor. Der Unfall verlief glimpflich. Die Feuerwehrleute konnten damals die Hochvoltbatterie abschalten. Der Vorfall zeigt allerdings, dass sich die Feuerwehr immer wieder neuen Herausforderungen stellen muss.

 

                                                                                                                           Von Jens Vogelsang
                                                                                                                            (Text u. Fotos)

 

 

Momentan sind noch wenige E-Autos auf den Straßen unterwegs. Doch ihr Anteil steigt.

Mazda hat gerade erst den MX-30 auf den Markt gebracht, den Magnus Mattern im Gerätehaus zeigt.

 

Die Hochvoltanlage des Renault Zoe arbeitet mit einer Spannung von 400 V.

 

 

Genormte Erkennungssymbole gibt es für den Stromer nicht. Bei der Lageerkundung muss deshalb nach
markanten Hinweisen, wie beispielsweise dem „blauen e“ im Modellnamen, Ausschau gehalten werden.

 

 
Ein Blick auf die Tankanzeige verrät ebenfalls: Es handelt sich um ein E-Auto.

 

 


Der Tankdeckel sollte im Rahmen der Lageerkundung geöffnet werden, um alternative

Antriebstechniken zu erkennen. In diesem Fall verbirgt sich der Anschluss für den Ladestecker dahinter.

 

 

(v.l.) Magnus und Marius Mattern erläutern die Technik unter der Motorhaube. Die Komponenten

für die Hochvoltanlage sind zur Sicherheit mit einem grellen Orange gekennzeichnet.

 

 

Die Hochspannungsbatterie wird ständig überwacht. Kommt es zu einem Crash, schaltet sie sich automatisch ab.  

 

 

Zusätzliche Abschalteinrichtung für die Hochvoltanlage im Beifahrer-Fußraum des Renault-Zoe. 

 


Jan-Hendrik Pieper erläutert das taktische Vorgehen bei einem Verkehrsunfall mit E-Auto.

 


Die Rettungskarte liefert dazu wichtige Hinweise.

 


Auf  einem iPad sind die Datenblätter aller gängigen Fahrzeugmodelle gespeichert. Sarah Schlagwein und …

 


… Hendrik Geesmann machen sich mit der standardisierten Darstellung der technischen Informationen
vertraut.

 


Im August war ein Autofahrer mit seiner schweren Limousine vor eine Hauswand gekracht.

Das Fahrzeug verfügte über einen Hybridantrieb.