Chronik zum 125-jährigen Jubiläum des Löschzugs Schweicheln-Bermbeck
(Teil 2)

Schweicheln-Bermbeck. Im Jahr 1933 beginnt die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten. Sie verwandeln die Weimarer Republik, Deutschlands erste Demokratie, in eine Diktatur. Der gesamte Staatsapparat wird radikal umorganisiert. Das Feuerlöschwesen bleibt davon nicht verschont. Die Feuerwehren unterstehen von nun an als technische Polizeitruppe dem Reichsminister des Inneren. Die Wehr Schweicheln-Bermbeck führt den Namen Löschzug 6 des Amtes Herford-Hiddenhausen.

Als das Personal knapp wird, weil immer mehr Männer ihre Einberufungsbefehle erhalten und an die Front ziehen, richten die Behörden eine Pflichtfeuerwehr ein. Hitlerjungen des Löschzugs 6 rücken in den Bombennächten des 2. Weltkriegs bis nach Bielefeld und Minden aus, um in den Trümmern nach Überlebenden zu suchen. Der nun folgende 2. Teil der Chronik zum 125-jährigen Jubiläum des Löschzugs Schweicheln-Bermbeck behandelt die Zeit des Nationalsozialismus.

 

Die Weltwirtschaftskrise, die 1929 mit dem „schwarzen Donnerstag“ begann, läutete das Ende der Weimarer Republik ein. In der Bevölkerung breiteten sich Not und Verzweiflung aus. 1932 gab es in Deutschland mehr als sechs Millionen Arbeitslose. Die Nationalsozialitische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) nutzte die wirtschaftlich hoffnungslose und politisch verfahrene Lage im Land aus und versprach den Menschen einen Ausweg aus der Krise. Doch nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 zeigte sich schnell, dass die Nationalsozialisten das Prinzip der parlamentarischen Regierung ablehnten. Den Reichstagsbrand nutzten sie, um sich mit dem Ermächtigungsgesetz die volle gesetzgebende Gewalt anzueignen.

Die neuen politischen Verhältnisse brachten Unruhe in die Gemeinschaft der Feuerwehr Schweicheln-Bermbeck. Fritz Niestrat wurde als kommissarischer Brandmeister eingesetzt und die Wehr führte nun den Namen Löschzug 6 des Amtes Herford-Hiddenhausen, das die Gemeinden Bermbeck, Bustedt, Diebrock, Eickum, Eilshausen, Elverdissen, Falkendiek, Hiddenhausen, Laar, Lippinghausen, Oetinghausen, Schwarzenmoor, Schweicheln und Sundern umfasste.

 

Feuerwehrausweis eines Kameraden der Wehr Schweicheln-Bermbeck, ausgestellt im Jahr 1937.
(Abb.: Archiv LZ Schweicheln-Bermbeck) 

 

In den damaligen „Bestimmungen“ heißt es: „1. Der Feuerwehrausweis (Feuerwehrpass) dient dazu, den Inhaber über seine Mitgliedschaft bei einer Feuerwehr auszuweisen und bei Austritt den Übergang in eine andere Feuerwehr zu erleichtern. 2. Er gilt als kameradschaftlicher Ausweis anderen Feuerwehren gegenüber, zum Besuch von deren Veranstaltungen und Besichtigung ihrer Übungen und Ausrüstung. (…)“ (Abb.: Archiv LZ Schweicheln-Bermbeck)

     

Im November 1938 trat im gesamten Reich das „Gesetz über das Feuerlöschwesen“ (Reichsfeuerlöschgesetz) in Kraft. Die Feuerwehren unterstanden damit als technische Polizeitruppe dem Reichsminister des Inneren. Während für die Berufsfeuerwehren fortan die Bezeichnung „Feuerschutzpolizei“ (FSchP) galt, bekamen die ehrenamtlichen Wehren den Status einer Hilfstruppe der Ordnungspolizei zugewiesen. Sie durften aber weiterhin die Bezeichnung „Freiwillige Feuerwehr“ führen. Nach dem Willen des NS-Regimes wurden neue Löschfahrzeuge jetzt nicht mehr in rubin- oder kardinalrot, sondern im Tannengrün der Polizei ausgeliefert. Die Mitarbeiter der Berufsfeuerwehren erhielten zudem grüne Polizeiuniformen. Bei den Freiwilligen Feuerwehren blieben allerdings die traditionellen blauen Uniformen.

 

Die Feuerwehren unterstehen als technische Polizeitruppe dem Reichsminister des Inneren. Neue Feuerwehrfahrzeuge, wie dieser Tragkraftspritzenanhänger, werden in tannen-grün ausgeliefert.  (Foto: Feuerwehrmuseum Kirchlengern, Jens Vogelsang)

 

Hauptwachtmeister der Feuerschutzpolizei in grüner Uniform. (Foto: Feuerwehrmuseum

Kirchlengern, Jens Vogelsang)

 

Die freiwilligen Feuerwehrleute behalten allerdings ihre traditionelle blaue Dienstkleidung.

(Foto: Feuerwehrmuseum Kirchlengern, Jens Vogelsang)  

 

Von der Freiwilligen Feuerwehr zur Pflichtfeuerwehr

 

Zu Beginn des Jahres 1939 zählte die Feuerwehr Schweicheln-Bermbeck 27 Aktive, die unter der Leitung von Fritz Generotzky jun. standen. Sie kamen einmal in der Woche zu einem zweistündigen Übungsabend zusammen. Im Verlaufe des Jahres fanden zudem vier „Führerratstagungen“ (Wehrführer-Dienstbesprechungen) statt. Die Gemeinde Schweicheln erhielt eine Sirene, die auf dem Schuldach montiert wurde, um die Feuerwehrleute im Brandfall zu alarmieren und die Bevölkerung vor möglichen Luftangriffen zu warnen.         

 

 

 

Löschgruppenfahrzeug LF 15-TS (Opel-Blitz/Koebe)

Seit dem Jahr 1939 verfügte die Wehr Schweicheln-Bermbeck über ein Löschgruppenfahrzeug (LF 15-TS). Es handelte sich um einen Opel-Blitz der Dreitonnen-Nutzlast-Klasse mit einem 75 PS starken 3,6-Liter-Benzinmotor. Die Vorbaupumpe (FP 15/8) leistete 1.500 Liter pro Minute, die im Heckgeräteraum  mitgeführte Tragkraftspritze (TS 8) 800 Liter pro Minute, bei jeweils acht Bar Ausgangsdruck. Eine Gruppe aus neun Feuerwehrleuten bildete die Besatzung. Das Feuerlöschgerätewerk Hermann Koebe aus dem brandenburgischen Luckenwalde (später VEB Feuerlöschgerätewerk Luckenwalde) hatte das Einsatzfahrzeug hergestellt. In  Bad Oeynhausen gab es ein Koebe-Zweigwerk, das später den Bomben zum Opfer fiel. (Foto: Archiv LZ Schweicheln-Bermbeck)

 

 

Mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf  Polen im September 1939 begann der 2. Weltkrieg. Zehn Wehrleute wurden zum Heeresdienst eingezogen, sodass die Einsatzabteilung erheblich an Schlagkraft verlor. Die in der Heimat verbliebenen Kameraden bekamen sofort eine  Zusatzaufgabe: Sie hatten in den ersten Kriegswochen die Verdunkelungsmaßnahmen der Bevölkerung zu überwachen. Dadurch sollten den feindlichen Fliegern die Orientierung und das Auffinden der Ziele erschwert werden.

Im Juni 1940 traten die Löschzüge des Amtes Herford-Hiddenhausen zur Vereidigung und Einführung der neuen Dienstgradabzeichen in Schweicheln an. Fritz Generotzky führte jetzt als Leiter des Löschzugs 6 den Dienstrang Haupttruppführer, Kamerad Gübel als sein Stellvertreter die Bezeichnung Obertruppführer.

Im Mai 1940 hatten die Alliierten erstmals eine deutsche Großstadt großflächig bombardiert. In der Heimat fielen wenige Wochen später die ersten Bomben. So ist im Jahresbericht der Feuerwehr Schweicheln-Bermbeck ein „Bombenüberfall“ vermerkt, zu dem die Mannschaft im Juli 1940 ausrückte. Im gleichen Jahr wurde der Löschzug nach einem Eisenbahnzusammenstoß eingesetzt, um brennende Waggons abzulöschen.

 

Männer ziehen an die Front – Hitler-Jugend zum Feuerwehrdienst abkommandiert

 

Immer mehr Männer erhielten in der Folgezeit ihre Einberufungsbefehle und zogen an die Front. Im Verlaufe des Jahres 1941 dezimierte sich die Zahl der Feuerwehrleute schließlich auf die Kameraden Generotzky, Gübel, Krömker, Stuke, Hildebrand, Holzgräfe und Schröder. Für eine wirksame Brandbekämpfung stand somit nicht mehr genügend Personal zur Verfügung. Die Behörden richteten darauf hin eine Pflichtfeuerwehr von 30 Mann ein. Die Dienststelle der Hitler-Jugend kommandierte zusätzlich 16 Jungen zum Feuerwehrdienst ab. Von nun an wurde zweimal in der Woche unter Anleitung der an der „Heimatfront“ gebliebenen, erfahrenen Feuerwehrmänner geübt: An einem Abend traf sich die Pflichtfeuerwehr und am darauffolgenden die Hitler-Jugend-Schaar.

Im Oktober 1942 wurde Löschzugführer Fritz Generotzky zum Wehrdienst einberufen. Auf Vorschlag von Amtsbrandmeister Ehrler übernahm August Horstkotte  die Leitung der Wehr. Der Krieg brachte immer tiefere Einschnitte mit sich. Mittlerweile waren nur noch drei Feuerwehrmänner der alten Mannschaft verfügbar. Neue Aufgaben kamen auf die Wehr zu: So mussten Entgiftungstrupps ausgebildet und gestellt werden. Sie hatten die Aufgabe, chemische Kampfstoffe nach Luftangriffen zu erkennen und zu beseitigen.

Im Sommer 1943 brannte die Möbelfabrik Schmeckebier und Lindemann. Der Brand war in der Nacht erst spät bemerkt worden. Die Wehrleute verhinderten dennoch ein Übergreifen des Feuers auf  Malerei, Montier-Werkstatt, Büroräume und Holzschuppen. Ein Jahr später stand in der Nachbargemeinde Sundern das Bauernhaus Greive in Flammen. Der Löschzug und die Werkfeuerwehr der Möbelwerke Beka rückten aus. Durch ihr schnelles und tatkräftiges Eingreifen entstand an dem Gebäude nur ein Teilschaden.          

     

Verheerende Luftangriffe: Wehr hilft in Herford, Bielefeld, Minden und Bad Oeynhausen

 

Im Herbst 1944 begann die Endphase des 2. Weltkriegs. Während das Regime mit dem „Volkssturm“ letzte Reserven an der „Heimatfront“ mobilisierte, verstärkten die Alliierten ihre Luftangriffe auf deutsche Städte. Am 30. September 1944 überschlug sich die Stimme des Radiosprechers: „Achtung! Höchste Alarmstufe! Feindliche Bomberverbände im direkten Anflug auf Bielefeld. Sie haben die Schächte geöffnet! Mit Bombenabwürfen ist zu rechnen!” Nur wenige Minuten später fielen die ersten Sprengsätze auf die Stadt. Der Bereitschaftszug Herford, darunter die Wehr Schweicheln-Bermbeck, rückte am 1. Oktober 1944 um 20 Uhr aus, um die Aufräumarbeiten im Oberzentrum zu unterstützen. 300 Bomber der 3. US-amerikanischen „Bomb-Division“ hatten den Angriff geflogen und verheerende Zerstörungen angerichtet. Erst nach mehr als 24 Stunden kehrte der Bereitschaftszug Herford in die Heimat zurück. Am 26. Oktober 1944 wurde Bielefeld von einem weiteren schweren Luftangriff der US-Airforce und Royal Air Force getroffen. Die Feuerwehrleute aus Schweicheln-Bermbeck halfen auch diesmal über 23 Stunden hinweg in der Nachbarstadt.

 

Die Nachbarstadt Herford bleibt von den schweren Luftangriffen der Alliierten ebenfalls nicht verschont. Mehr als 300 Häuser werden im Zentrum total zerstört. Pflichtfeuerwehrleute der Wehr Schweicheln-Bermbeck (Löschzug 6 des Amtes Herford-Hiddenhausen) suchen in den Trümmern nach Überlebenden. (Foto: Kommunalarchiv Herford)

 

Als der Krieg längst verloren ist, mobilisiert das Regime die letzten Kräfte. Vom Dienst in der Pflichtfeuerwehr befreit ist nur, wer eine Bescheinigung des Amtsbürgermeisters vorlegen kann. (Abb.: Archiv LZ Schweicheln-Bermbeck)

 

Das Reichsluftfahrtministerium verfügt zur Sicherung des Luftschutzes über eigene Kräfte. Der sog. Sicherheits- und Hilfsdienst (SHD), die spätere Luftschutzpolizei, soll mit ihren mausgrauen Fahrzeugen in den größeren Städten für zusätzliche Sicherheit sorgen. Das Foto zeigt eine Kraftfahrspritze 25 (KS 25) mit Gasabwehrgeräten und Schaumgießgestänge auf dem Dach, die vermutlich im Ruhrgebiet stationiert war. (Foto: Sammlung T. Knauf, Jens Vogelsang)

 

Den Alliierten ging es darum, strategische Ziele, wie das Eisenbahnviadukt in Bielefeld-Schildesche, zu zerstören. Sie verfolgten mit den Bombardierungen aber auch den Plan, die Bevölkerung weiter zu demoralisieren. Herford blieb ebenfalls nicht verschont. Totensonntag, den 26. November 1944 prasselten die Bomben in der Mittagszeit auf die Hansestadt herab. Der Angriff richtete schlimme Schäden an. Betroffen waren vor allem Haupt- und Kleinbahnhof sowie Goebenstraße, Bünder Straße und Wellbrocker Weg. Die Helfer, darunter die Feuerwehrleute aus Schweicheln-Bermbeck, suchten in den zerstörten Häusern nach Überlebenden und löschten die Trümmer ab. In den Folgetagen setzte das Regime Zwangsarbeiter ein, um die Straßen wieder passierbar zu machen. Am 29. Januar 1945 brannte die Schuhfabrik Kiel samt Wohnhaus nach einem Bombenangriff. Die Feuerwehren des Amtes Herford-Hiddenhausen kämpften bei Minusgraden und auf hart gefrorener Schneedecke gegen die Flammen.

 

Zerbombtes Haus stürzt ein und begräbt Wehrleute unter sich

 

Den wohl schwersten Luftangriff des 2. Weltkriegs musste die Herforder Bevölkerung am 3. März 1945 über sich ergehen lassen. Hunderte Brandbomben zerstörten in der Innenstadt unzählige Häuser. Während der Löscharbeiten kam es am Neuen Markt zu einem tragischen Unglück. Die Giebelwand des schwer getroffenen Möbelhauses Stüssel stürzte plötzlich ein und begrub zwei Kameraden der Wehr Hiddenhausen unter sich, die sich tödliche Verletzungen zuzogen. Ein Feuerwehrmann der Wehr Schweicheln-Bermbeck hatte Glück und kam mit einer  Beinverletzung davon. Nur wenige Tage später, am 13. März 1945, fielen die Bomben auf den Bahnhof Löhne. Die Feuerwehrleute förderten das Löschwasser aus der Werre über lange Wegstrecke. Am 27. März 1945 rückte der Bereitschaftszug Herford aus, um in Minden nach einem schweren Luftangriff zu helfen. Die Innenstadt samt Dom und historischem Rathaus lagen in Trümmern. Um die zahlreichen Brände zu löschen, pumpten die Wehrleute das Wasser aus der Weser. Dort, wo sich heute das Einkaufszentrum Werrepark befindet, produzierte im 2. Weltkrieg die Weserhütte Geschütze, Panzerspähwagen und Schützenpanzerwagen. Nach der Bombardierung des Werks am 30. März 1945 erhielt der Bereitschaftszug den nächsten Befehl zur überörtlichen Hilfe. Doch die großen Werkshallen waren nahezu vollständig zusammengestürzt. Das war der letzte kriegsbedingte Einsatz der Feuerwehr Schweicheln-Bermbeck. Am 4. April 1945 rasselten amerikanische Panzer - von Bielefeld kommend - nach Herford. Weiße Bettlaken, als Zeichen der kampflosen Übergabe der Stadt, hingen aus den Fenstern.

Einen Monat später, am 8. Mai 1945, endete der 2. Weltkrieg in Europa. Er forderte weltweit 60 Millionen Tote und hinterließ Elend und Zerstörung. 

 

Auch einige der besten Kameraden der Feuerwehr Schweicheln-Bermbeck kehrten nicht aus dem Krieg zurück:

 

Heinrich Meier, gefallen am 23.01.1943 in Russland

Willi Tölle, gefallen am 20.02.1943 in Russland

Wilhelm Pönighaus, gefallen am 8.09.1944 in Frankreich

Willi Vahle, vermisst seit Juli 1944 in Russland

Rudolf Rottmann, vermisst seit Januar 1945 in Pommern

Willi Remmert, vermisst seit Januar 1945 in Rumänien

Heinrich Adam, vermisst seit Januar 1945 in Ostpreußen

 

                                                                                                                                                    -Vo-                 

 

 

Hinweis:

Teil 3 der Chronik erzählt unter anderem über den Neuanfang nach dem 2. Weltkrieg unter britischer Besatzung, das große Hochwasser im Jahr 1946, die ersten Kreismeisterschaften und den Ausflug der Wehrleute aus Schweicheln-Bermbeck zur Messe „Roter Hahn“ in Essen, die als Vorläuferin der Interschutz gilt.