Löschzug Schweicheln-Bermbeck erhält neues Rettungsgerät

Hiddenhausen Schweicheln-Bermbeck. Verkehrsunfälle mit eingeklemmten Personen fordern die Helfer der Feuerwehr in besonderem Maße.  Eine gut ausgebildete Mannschaft und das richtige Werkzeug sind in einem solchen Fall für den Einsatzerfolg ausschlaggebend. Der Löschzug Schweicheln-Bermbeck verfügt jetzt über neue hydraulische Rettungsgeräte, um im Notfall noch besser helfen zu können. Rund 20.000 Euro hat die Gemeinde Hiddenhausen dafür investiert. Am vergangenen Freitag (18.07.2014) wurde die moderne Technik an mehreren Schrottautos ausgiebig getestet.  Dazu war eigens ein Trainer der Herstellerfirma aus Baden-Württemberg angereist.



Uwe Schwabe (l) erläutert die Leistungsmerkmale der aktuellen Rettungsgeräte vom Typ Weber.


Der Anteil der Brandalarme, so die Statistik, ist mittelweile fast überall auf rund 30 Prozent der Gesamteinsätze gesunken. „Stattdessen bestimmen Technische Hilfeleistungen nach Verkehrsunfällen, Umwelt- und Unwettereinsätze mehr und mehr das Bild“, sagt Nicholas Jost, Leiter des Löschzugs Schweicheln-Bermbeck. Gerade im Automobilbereich seien in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht worden. „Die Autos werden immer sicherer gebaut“, meint Jost. Für die Feuerwehr sei es daher wichtig, über modernes Rettungsgerät zu verfügen, um bei Notfällen verletzte PKW-Insassen aus ihren „Käfigen“ befreien zu können. Mit dem alten hydraulischen Rettungssatz,  der mittlerweile fast 25 Jahre auf dem Buckel gehabt hätte, sei das nicht mehr garantiert gewesen. Dafür entsprechen die nun als Ersatzbeschaffungen in Dienst gestellten Hydraulikgeräte – im Einzelnen handelt es sich um Schere, Spreizer und zwei Rettungszylinder,  dem Stand der Technik. Entwickelte der alte hydraulische Spreizer noch Kräfte bis zu drei Tonnen, um beispielsweise an einem deformierten Auto eine Tür  zu öffnen, schafft das aktuelle Modell 5,4 Tonnen. Die neue Schere entwickelt gar eine Schneidkraft von 80 Tonnen. Ein Hydraulikaggregat mit vier Litern Öl sorgt für den dafür nötigen Druck von bis zu 700 Bar.  Zum Vergleich: Ein Autoreifen wird mit durchschnittlich 2,5 Bar gefüllt. Die  modernen Geräte verfügen über so genannte Singlekupplungen. Sie können damit quasi mit einem Handgriff an die beiden Verbindungsleitungen zur Hydraulikpumpe angeschlossen werden. „Das geht deutlich schneller als beim alten System und funktioniert auch unter Druck“, sagt Gerätewart Jan-Hendrik Pieper. Zudem könnten Spreizer und Schere, anders als bisher, im Notfall gemeinsam betrieben werden.  

 


Er ist mit dem „Servicemobil“ der Firma „Weber Recue Systems“ aus Güglingen
     (Landkreis Heilbronn in Baden-Württemberg)  angereist.

Der Transporter hat einen Großteil der Weber-Produktpalette „an Bord“.


Am Freitagabend sammeln die Aktiven des Löschzugs Schweicheln-Bermbeck erste Erfahrungen im Umgang mit den neuen Geräten und den unvorstellbaren Kräften,  die sie entwickeln können. Am Gerätehaus an der Herforder Straße stehen mehrere Schrottautos bereit, die nun fachmännisch zerlegt werden sollen. Uwe Schwabe, Trainer der Herstellerfirma Weber Hydraulik ist gekommen,  um den Ehrenamtlichen einige spezielle Kniffe für eine optimale Bedienung der modernen Technik mit auf den Weg zu geben. Die Wehrleute arbeiten schulbuchmäßig: Sie unterbauen zunächst einen alten Citroen mit speziellen Unterleghölzern, die wie Legosteine ineinandergreifen. Das Fahrzeug ist jetzt an vier Druckpunkten stabilisiert und kann bei den nun folgenden Schneid- und Spreizarbeiten nicht mehr wegsacken. „Das ist wichtig, um eine schonende Rettung des verletzten Fahrers zu garantieren“, sagt Schwabe. Jaana Bahr und Clas de Witt entfernen im nächsten Arbeitsschritt fachmännisch die Fensterscheiben. Glasmanagement heiße das bei der Feuerwehr und gehöre wie das Abklemmen der Batterie, die  als Energie- und Brandquelle zugleich gelte, ebenfalls zum Sicherheitskonzept, erläutern die Einsatzkräfte. Erst danach beginnt die eigentliche Arbeit an der verkeilten Fahrertür. Drees Beckmann setzt den Spreizer an und knackt die Scharniere innerhalb kürzester Zeit. Probleme bereitet allerdings die Schaffung eines weiteren Zugangs durch die Heckklappe. Sie ist aus Kunststoff und bricht immer wieder. Damit hatten die Feuerwehrleute nicht gerechnet. Währenddessen sind Thomas Graf, Marco Peters, Sven Clemm und Bruder Freddy an einer viertürigen Schrottlimousine zu Werke gegangen. Trainer Schwabe hat ihnen die Aufgabe gestellt, die gesamte rechte Fahrzeugseite mit Spreizer und Schere herauszutrennen und damit eine große Zugangsöffnung zu schaffen. Schritt für Schritt arbeitet sich das Team vom hinteren Einstieg, über die Mittelsäule bis zur Vordertür heran. Bevor die Schneidarbeiten beginnen können, müssen allerdings Teile der Innenverkleidung herausgenommen werden. „Dahinter verbergen sich oftmals die Gasgeneratoren der Seitenairbags oder die Gurtaufrollautomaten mit Gurtstraffern, von denen im nichtausgelösten Zustand eine besondere Gefahr ausgeht“, erläutert Fachmann Schwabe. In einem weiteren Szenario kommt der große Rettungszylinder zum Einsatz. Die Wehrleute setzen das Gerät, das sich auf eine Gesamtlänge von 1,50 Meter ausfahren lässt, in die Beifahrertür des zuvor bereits zerlegten französischen Kleinwagens und drücken damit den gesamten Vorderbau des Autos nach vorne. „Im Notfall“, sagt Schwabe, “würde so der nötige Platz geschaffen, um eingeklemmte Fahrzeuginsassen befreien zu können.“ Schließlich sichern die Einsatzkräfte noch  einen auf der Seite liegenden Ford mit einem speziellen Abstützsystem, bevor sie die Frontscheibe mit einer Spezialsäge durchtrennen und anschließend das Dach abschneiden.

 


Gerätewart Jan-Hendrik Pieper hat die neuen Werkzeuge an der Geräteablage
     bereitgelegt: Es handelt sich um den  Spreizer SP 49 (Spreizkraft: 5,4 t; Gewicht:
    19,9 kg), die Schere RSX 180-80 (Öffnungsweite 180 mm, 35 mm Schneidleistung
    bei Rundmaterial, Schneidkraft: 80 t, Gewicht: 17,6 kg) sowie zwei jeweils
    zweistufige Rettungszylinder, wobei der RZT 2-1.500 eine Endlänge von 1,50 Meter erreicht. 


Am Ende ist sich die Mannschaft des Löschzugs Schweicheln-Bermbeck einig: Es konnten viele nützliche Erfahrungen für den Ernstfall gesammelt werden. Nicht zu unterschätzen ist das hohe Gewicht der neuen Rettungsgeräte. Der Hydraulikspreizer wiegt alleine rund 20 Kilogramm. Der Übungsdienst am letzten Freitag gestaltete sich somit kräftezehrend und angesichts der Temperaturen nahe der 30-Grad-Marke als schweißtreibende Angelegenheit.
Beide Feuerwehreinheiten der Großgemeinde sind nun für die Technische Hilfe nach Verkehrsunfällen gleichwertig ausgerüstet. Der Löschzug Eilshausen hatte bereits vor einigen Monaten einen neuen Rettungssatz erhalten.  


                                                                                                                        Von Jens Vogelsang
                                                                                                                        (Text u. Fotos)

 


Unterbauen an geeigneten Auflagepunkten mit dem Stab-Pack-System. Ein
    Wegrollen und Nachsacken des Fahrzeugs wird dadurch vermieden.

 


Drees Beckmann knackt die Türscharniere eines Schrottautos mit dem Spreizer.

 


Schaffung einer großen Zugangsöffnung: Thomas Graf und Sven Clemm beginnen
    an der Hintertür mit den Arbeiten. Uwe Schwabe (l) gibt den Beiden Tipps,
    wie sie den Spreizer, der über einen drehbaren Griff verfügt, optimal ansetzen. …

 


… An der B-Säule wird zunächst mit dem Spreizer Platz geschaffen. Anschließend
    beginnen  hier die Arbeiten mit der Schere. …

 


… Das Ergebnis: Die gesamte Beifahrerseite ist gelöst und lässt sich Richtung
    Motorhaube wegdrehen.

 


Ist die Autotür nach einem Unfall nur leicht verkeilt, so kann das Türschloss
    während der Spreizarbeiten mit einem Softball offengehalten werden.

 


Nach einem Entlastungsschnitt an der A-Säule kommt der große Zylinder in der
     Beifahrertür zum Einsatz, mit dem der PKW-Vorderbau weggedrückt wird.

 


Der Weber-Fachmann demonstriert ein Spezialwerkzeug, mit dem er in der
     Motorhaube eines auf der Seite liegenden Fords eine Einhängeöse für das …

 


… Stab-Fast-System schafft. Damit stützen (v.l.) Drees Beckmann, Olaf Peters u.
     Fabian Stadelmann anschließend das Auto ab.

 


Das Ende für den Kleinwagen: Nachdem das Auto mit Keilen stabilisiert ist, wird die
     Frontscheibe durchsägt und das Dach abgetrennt.

 


Die Seminarteilnehmer am Gerätehaus Schweicheln-Bermbeck mit Löschzugführer
     Nicholas Jost (l) u. Trainer Uwe Schwabe (r).